Seit einiger Zeit wundere ich mich, wie Menschen mich wahrnehmen. Wenn frau mehr in der Öffentlichkeit steht, wird sie wohl automatisch zur Projektionsfläche für… ja wofür eigentlich?!
Diese Zu- und Un-Zuschreibungen, die mich treffen sind zum Teil so gegensätzlich, dass ich wohl eine multiple Persönlichkeit sein müßte, um alles zu erfüllen. Oder vielleicht ist jede/r mal lieb, überheblich, laut, leise, zurückhaltend, dominant, bestimmend, weich… je nach Laune und Verfassung.
All das und viel mehr wird mir zugeschrieben. Entweder direkt als “du bist zu lieb, zu brav”, “das musst halt noch lernen, aggressiver zu sein” oder ich höre es… à la “der oder die sagt, du wirkst so überheblich, dominant, willst immer im Mittelpunkt stehen oder von allen gemocht werden….”.
Mancheiner wirft man mir öffentlich an den Kopf, Sozialromantikerin zu sein und keine Ahnung von Wirtschaft zu haben, manchandere sagt über mich, ich sei eine kapitalistische Wachstumsanhängerin.
Man erzählt über mich, ich würde in Sitzungen nichts sagen oder ich würde ganze Zeit reden und mir zu viel Raum nehmen – jeweils andere Sitzungen und Personen.
Besonders gern mag ich “Die ist so esoterisch”. Höre ich selten bis nie direkt, immer nur als “man sagt über dich”. Sehr interessant. Falls sich doch mal jemand traut, mir das ins Gesicht zu sagen, würde ich fragen: was das denn sei?! Einmal hab ich das getan. Die Antwort war, du machst da sowas mit Ayurveda und hast einen esoterischen Online-Shop. Stimmt alles. Macht mich das esoterisch? Definiert ist es damit immer noch nicht, wie ich denn da wäre.
Einen Online-Shop zu führen braucht die gleichen Fertigkeiten, ob man Räucherstäbchen oder Schraubensortimente verkauft. Wie ist denn dann ein Schrauben-Online-Shop-Betreiber? Verschraubt? Und ob Ayurveda esoterisch ist oder nicht, darüber bin ich gern bereit zu diskutieren. Es gibt in Österreich eine offizelle Ausbildungsrichtline, es ist als komplementärmedizinische Weiterbildung für ÄrztInnen anerkannt und 5.000 Jahre altes Erfahrungswissen.
Auch ein Schmankerl ist die Bandbreite zwischen “Du machst so viel und so schnell, wie kann das alles gehen” bis hin zu “Was macht die überhaupt, die arbeitet ja nix”. Ersteres führt leider oft dazu, dass besonders Frauen das Gefühl haben, sie kriegen selbst nicht so viel auf die Reihe – was ich sehr schade finde. Denn jede muss für sich selbst entscheiden, was ihr wichtig ist. Ich mache halt Abstriche bei einem gepflegten Garten, Ordnung und wohl auch beim Pflegen von Freundschaften. Außerdem lass ich mir gerne helfen und kann gut abgeben – ohne Kontrollbedürfnis.
All jene, die Zweiteres verbreiten, lade ich gerne ein, eine ganz normale Woche mit mir zu verbringen. Auf dass ihnen schwindelig wird.
Mein Fazit: ich passe in keine Schablonen. Ich habe viele Interessen und Wirkfelder, ich kann und weiß viel, ich bin überzeugt, dass in allen Lebensbereichen respektvolle Klarheit, Offenheit, innere Ruhe und Ehrlichkeit die Lösung ist. Und ich glaube stets an das Gute im Menschen. Im Umgang mit meine Kindern, Mitarbeiterinnen und KundInnen erfahre ich dafür sehr viel Wertschätzung und bin damit “erfolgreich”. Doch nicht in allen Lebenswelten kommt das gut an. Gerade in der Politik, sagt man mir, muss man/frau mit anderen Mitteln kämpfen. Hinterhältig, agressiv, taktisch. Sich eben dem System anpassen, weil alle so sind.
Tja, vielleicht kommt da die Sozialromantikerin in mir durch: ich glaube das nicht. Dass ich mich anpassen muss. Ja, vielleicht musste ich in der Vergangenheit ein paar Niederlagen einstecken, weil ich zu gutgläubig war. Na und. Ich will darauf nicht reagieren, indem ich resigniere. Ich stehe auch weiterhin für einen wahrhaft anderen Stil mit dem Ziel, Lebensbedingungen zu verbessern und gelingende Beziehungen zu ermöglichen. Und was auch immer jemand über mich denkt und sagt – ich prüfe, ob ich was daraus lernen kann. Und falls nicht – wundere ich mich halt weiter.
P.S.: Ich mutmaße ja, dass Frauen von Projektionen mehr betroffen sind, als Männer. Aber auch darüber lässt sich streiten 😉