Was für verrückte Zeiten sind das doch gerade. Während sich Menschen im Baumarkt mit Hochbeeterde und Swimmingpools für den Garten eindecken, kämpfen Ärzte um das Leben von Schwerkranken, geben Mitarbeiter*innen in Pflege und im Lebensmittelhandel ihr Bestes bis zum Ende ihrer Kräfte, verzweifeln Eltern im Homeoffice an Kinderbetreuung und Homeschooling, sehnen sich Großeltern nach ihren Lieben, bangen unzählige Menschen um ihre Zukunft…. tbc. Diese Gleichzeitigkeiten gab es immer und wird es immer geben. In Krisenzeiten werden sie uns nur bewusster.
Ich zähle mich zu den Krisengewinnerinnen. Eine Woche vor dem Lockdown hatte ich sowas von die Nase voll und war am Ende meiner Kräfte. Das intensivste Jahr meines Lebens mit vielen Wochen in denen ich bis zu 100 Stunden “gearbeitet” habe, mit der Umbau/ Eröffnungs/ langsamen Stabilisierungsphase im FreuRaum, 3 Wahlkämpfen, einem Buch, das ich geschrieben habe und gleichzeitig mehreren Beratungsaufträgen und Unterricht… Nach einer unschönen Episode am Ende der Wirtschaftskammerwahlen war es endgültig genug und ich hab ein Stoßgebet gen Himmel geschickt: “Ich brauch einmal 4 Wochen NICHTS. Bitte.” Und Schwupp, schon war sie da…. die Auszeit.
Auch wenn ich mir das so nicht erträumt oder vorgestellt hätte, für mich waren die letzten Wochen die Rettung vor dem gesundheitlichen Desaster. Nach 2 Wochen in denen ich wirklich viel gelesen, rumgelümmelt, Zeit in der Natur verbracht, sowie Küchenkasterl und Auto ausgemistet und saubergemacht habe, habe ich mir nun einen neuen Rhythmus angewöhnt. Dabei bin ich konsequent, um mir die neuen Gewohnheiten auch in die Zeit nach Corona mitzunehmen:
- Ich starte mit Yoga in den Tag. 15-30 Minuten mache ich am offenen Fenster Sonnen und Mond-Planeten-Gruß, diverse Dehn und Kräftigungsübungen und eine kurze Meditation. Nach nur 2 Wochen war mein Körper, den ich monatelang vernachlässigt hatte, wieder geschmeidig.
- Ich nehme das Handy erst NACH dem Frühstück in die Hand und schränke meine Online-Zeiten generell ein. Das Mobilgerät hat einen eigenen Platz. Gelegentlich vergesse ich es sogar mitzunehmen, wenn ich mal außer Haus gehe. Vor kurzem noch unvorstellbar.
- Ich arbeite nach der Pomodoro-Methode. Ich stelle die Eieruhr (ok – am Handy) auf 20 Minuten – dafür nehme ich mir einen Punkt von der To-Do-Liste – dann mach ich 5 Minuten Pause. Also zum Wäsche Waschen, Plaudern, Kaffeetrinken, Kochen oder einfach kurz die Beine vertreten.
- Endlich wieder gehe ich meiner Leidenschaft nach und koche und backe viel. Und ich kümmere mich um unsere 2 neuen Mitbewohner: Edwin, den Sauerteig und Erwin, den Austernpilz (von den Schlösselpilzen). Ein bißchen erinnert mich das Füttern und Pflegen an meine Tamagotchi-Zeit. Als ich noch Kind war und die Tage unendlich lang dauerten. Der Austernpilz ist unendlich hungrig, wir müssen ganz schön viel Kaffee trinken, um ihn satt zu kriegen. Ich setze auch Essig und Waldmeistersirup an und habe Veilchen kandiert. Eine wahrhaft meditative Tätigkeit.
- Nach 5 Wochen Quarantäne und vielen Jahren des von zu Hause arbeitens hab ich jetzt meinen Homeoffice-Arbeitsplatz vom Sofa/ Fauteuil an den Schreibtisch verlegt. Macht echt Sinn die Plätze für Entspannen und Arbeiten zu trennen. Das hab ich schon immer gewusst, aber nach langen Arbeitstagen voll Besprechungen und im FreuRaum, machte sich die Büroarbeit in gemütlicher Haltung einfacher. Und es war zumindest einen Hauch von “entspannter Abend” mit dabei.
- Ich gönne mir wöchentlich ein Coaching um mich gut auf die Zeit nach Corona vorzubereiten. Ich lerne rechtzeitig STOP zu sagen, bereite mich darauf vor, Aufgaben und Funktionen abzugeben und auf ein sinnvolles Maß von Zeit und Engagement – 60% für mich, 40% für andere – zu kommen.
Ich muss und ich kann die Welt nicht retten ist eine wichtige Erkenntnis aus dem Coaching, obwohl ich gemeinsam mit meiner Tochter Mona das Buch “So klappt’s mit dem Weltretten” geschrieben habe. Mit Augenzwinkern versteht sich. Das Buch ist mir zugefallen… Als ich über meine Ausbildung zur Enkeltauglich-Leben-Spieleleiterin auf Facebook gepostet habe, hat das eine Verlagskollegin vom Kneipp-Verlag gesehen und mich gefragt, ob ich diese Buch nicht schreiben wolle. Ich hab nicht lang überlegt… Wissend, dass ich keine Zeit dafür habe. Aber es ist ein Herzensthema. Einzig beim Schreiben des Kapitels über Selbstfürsorge war mir etwas unwohl… Ich bin in keinem Lebensbereich perfekt unterwegs mit 5 Weltretterinnen-Punkten, aber ich würde sagen in den meisten im guten Mittelfeld. Nur bei diesem Kapitel hielt ich mich am Wenigsten selbst an das, was ich geschrieben habe… Aber jetzt!
Das Buch ist übrigens eine herzliche Empfehlung (wie könnte es anders sein) – zum Selberlesen, Verschenken und gemeinsam mit anderen die Welt ein Stückchen besser machen! Es ist Inspirationsquelle, liest sich flockig und überrascht an manchen Stellen *Eigenwerbung.Ende*
In der Quarantäne habe ich eine Hassliebe zu Videokonferenzen und Webinaren entwickelt… Endlich nach Jahren hab ich den ersten Online-Detox-Kurs gehalten und es ist wirklich gut gelaufen. Morgen würde die erste Enkeltauglich-Leben-Online Gruppe starten, es braucht noch 2 mutige Teilnehmer*innen (also fallst du JETZT beginnen willst – bitte!)! Ich hatte ein charmantes Bibliotheksgespräch mit Elisabeth Nussbaumer von Nachhaltig im Burgenland und ich bin bei der spannenden internationalen Change-Bewegung GAIA ausgehend von Otto Scharmer vom MIT mit dabei, wo ich sehr inspirierende Inputs bekomme und Menschen treffe. Da tut sich eine Welt auf. Aber ich merke einfach, mehr als 2 Videokonferenzen am Tag laugen mich aus, länger als 2 Stunden ohne Pause geht gar nicht… das würden wir ja auch im “echten Leben” nicht machen. Nach 1,5 Stunden ist mal Pause angesagt. Ein weiteres Corona-Learning. Hier STOP zu sagen, bevor mir die Luft ausgeht.
Das ambivalente “Sowohlalsauch” begleitet mich durch diese Tage. Im FreuRaum sind wir traurig, weil wir nicht mit allen Mitarbeiterinnen weiterarbeiten können. Weil die Kurzarbeit uns nicht ermöglich, die Eingliederungsbeihilfe zu unterbrechen und nach Neustart weiterzumachen. Schade für die Damen, die mittendrin waren, als wir geschlossen wurden. Wann wir wieder aufsperren werden ist unklar. Unsere Küche ist winzig – zu zweit ist der Sicherheitsabstand nicht einzuhalten, auch im Gast und Gastgarten-Bereich ist es eng. Wenn wir nur jeden 2. Tisch mittags besetzten können, dann haben wir bei gleichen Kosten, 50% Umsatz. Das geht sich einfach nicht aus. Öffnen ist zu teuer. Dabei haben wir bisher noch keine einzige Förderzusage. Die Sorgen machen uns Kopfzerbrechen und gleichzeitig ist die Auszeit gut, um den Kopf frei zu kriegen und uns langfristig besser aufzustellen. Noch sind weder für Fixkostenzuschuss noch Kurzarbeit Zusagen eingetrudelt, die Bank kommt uns entgegen, der Vermieter weniger, Kosten laufen weiter. Doch die Solidarität erfreut unsere Herzen: Seit der Schließung sind fast 5000 Euro an neunen und zusätzlichen Genossenschaftsanteilen gezeichnet worden, wir haben über 70 Oster-Brunchboxen für 2 Personen und Gutscheine im Wert von mehreren 1000 Euro für die Zeit danach verkauft. Das ist großartig und hilft uns wirklich sehr! Die nächsten Brunch-Pakete gibt’s zum 1. Mai und Muttertag!
Mein buntes Leben ist in der Krise bunt geblieben. Aber anders. Weniger aufregend, mit geringerem Radius und viel weniger Kontakten. Es gab herrliche Momente der Langeweile und ich fühl mich jeden Tag reich beschenkt. Meine Tochter mit roten Wangen nach dem Online-Training. Mein Sohn der mir beim Kellerräumen hilft. Mein Mann der mir strahlend Bärlauch und Sauerampfer bringt. Die Ruccola Sprossen im Hochbeet. Die Smaragdeidechse im Garten. Das Zwitschern der Vögel am Morgen. Die kleinen Dinge rücken in den Fokus und das tut der Seele gut.
Titelbild von Birgit Machtinger!
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